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Das Blumenbuch

 

Oma Anna muss sich beeilen. Laura wartet schon auf sie, hat ihren Rucksack fertig gepackt und läuft unruhig von einem Zimmer ins andere. 

„Sie will nicht dabei sein, wenn ihr Papa nachher kommt, um seine letzten Sachen aus unserer Wohnung zu holen. Bitte nimm die Kleine zu dir“, hatte ihre Tochter vorhin am Telefon gesagt. 

Am Morgen war Anna in ihrem Garten gewesen. Bevor der erste Schnee kommt, wollte sie nochmal nach dem Rechten sehen. Die Laubberge, die sie schützend um die Obstbäume aufgeschüttet hatte, waren vom Nachtwind auseinander geweht worden. Anna holte den Rechen aus dem Schuppen, schob das Laub wieder zusammen und häufelte Erde darüber. Nun wird es der Wind nicht mehr so leicht haben, dachte sie bei sich. Die Regentonne war leer und stand fest an ihrem Platz.

Anna hatte sie mit Steinen gesichert. Das war gut so, sonst hätte der Wind sie heute Nacht durch den ganzen Garten rollen lassen. Beruhigt ging Anna näher heran. Doch was war das? Eine kleine rote Blüte blinzelte hinter der Tonne hervor. „Du kannst hier nicht bleiben. Wenn der Frost vor dem Schnee kommt, erfrierst du“, sagte sie. Anna grub die Blume mit ihren Händen vorsichtig aus, pflanzte sie in einen Tontopf, wickelte Zeitungspapier ringsherum und nahm sie mit zu sich nach Hause.

Ganz oben im Regal fand Anna das Buch mit den Zeichnungen, das sie damals mit ihrer Oma gestaltet hatte. Gleich auf der ersten Seite war eine rote Blüte abgebildet. Ihre Erinnerung hat sie nicht getäuscht. Die Blüte sieht genauso aus wie die aus dem Garten heute.

 Laura wird sich über die kleine Blume genauso freuen wie die kleine Anna vor vielen Jahren. Nebeneinander werden sie am großen Holztisch sitzen, die Farben mischen und ein neues Buch mit Blütenbildern schaffen. In dieser gemeinsamen Zeit werden sie beide Kraft schöpfen und sich wappnen für das, was der Alltag für sie bereit hält.

 Voller Zuversicht macht sich Anna auf den Weg, um Laura abzuholen.

Sonja Pudmensky

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